Pole Position für Recycling: Zeit für den nächsten Gang
Der Weg zu einem funktionierenden Kunststoffkreislauf im Automotive-Sektor ist komplex – aber machbar. Er erfordert Investitionen entlang der gesamten Wertschöpfungskette, bietet aber auch Chancen auf neue Geschäftsfelder. Und poliert nicht zuletzt das Image.
Kunststoffe spielen in der Automobil- und Zulieferindustrie eine zentrale Rolle: Sie sind leicht, vielseitig, steigern Effizienz und senken den Treibstoffverbrauch.
„Doch ihr Lebensende stellt die Branche vor große Herausforderungen. Zum einen regulatorische Vorgaben, zum anderen technologische Besonderheiten“, betont Michael Heinzlreiter, Projektmanager im Kunststoff-Cluster (KC).
Zunächst zur Ausgangslage: In modernen Mittelklassewagen mit einem Gesamtgewicht von 1.500 kg sind heute meist 120 bis 150 Kilo Kunststoff verbaut. Der Anteil variiert je nach Fahrzeugtyp und Ausstattung, steigt aber tendenziell weiter an, da Kunststoffe für Leichtbau, Komfort und Effizienz eine immer größere Rolle spielen. Rund zehn Prozent des gesamten Kunststoffbedarfs in der EU entfallen derzeit auf neu auf den Markt kommende Fahrzeuge.
Altfahrzeuge werden heute meist geshreddert, um Materialien zu trennen und zu recyceln. Nur 19 Prozent der dabei zurückgewonnenen Kunststofffraktionen werden laut Forschungsstelle der Europäischen Kommission – Joint-Research Center (JRC) derzeit dem Recycling zugeführt. Aktuell sind weniger als zehn Prozent der Recyclinganlagen in der EU in der Lage, die aus Altfahrzeugen stammenden Kunststofffraktionen effizient zu sortieren und zu verwerten.
Die Europäische Union plant mit der Überarbeitung der Altfahrzeugverordnung ambitionierte Vorgaben: Ab 2030 sollen mindestens 25 Prozent der in Neufahrzeugen eingesetzten Kunststoffe aus Rezyklaten stammen – davon wiederum ein Viertel aus Post-Consumer-Abfällen, insbesondere aus Altfahrzeugen. Heinzlreiter weiß:
„Diese Vorgaben setzen die gesamte Wertschöpfungskette unter Zugzwang, fördern so aber auch Innovationen entlang des Lebenszyklus von Fahrzeugkunststoffen.“
Ein zentrales Element für hochwertiges Kunststoffrecycling ist die Demontage. Viele Kunststoffbauteile – etwa Stoßfänger, Innenverkleidungen oder Mittelkonsolen – lassen sich nur dann werkstofflich verwerten, wenn sie vor dem Shreddern manuell ausgebaut werden. Die Herausforderung: Diese Prozesse sind zeit- und kostenintensiv.
„Dennoch sind sie essenziell, um metallische Verunreinigungen oder unerwünschte Materialkombinationen – etwa Duroplaste mit Thermoplasten – zu vermeiden“, erklärt der KC-Experte.
Die Umsetzung eines funktionierenden Kunststoffkreislaufs im Automotive-Sektor erfordert daher Investitionen in Infrastruktur, Know-how und Kooperationen entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Gleichzeitig entstehen neue Geschäftsfelder für Recycler, Maschinenbauer und Materialentwickler. Die Nachfrage nach hochwertigen Rezyklaten steigt – nicht nur aus regulatorischen Gründen, sondern auch aus Image- und Nachhaltigkeitsgründen.
„Die Zukunft des Kunststoffrecyclings im Automotive-Sektor liegt daher in der intelligenten Kombination aus technologischem Fortschritt, effizienter Demontage und konsequenter Sortenreinheit. Wer heute in diese Schlüsselbereiche investiert und kooperiert, legt den Grundstein für eine zirkuläre und wettbewerbsfähige Automobilproduktion von morgen“, ist Michael Heinzlreiter überzeugt.